Vorwort

Die Immobilienbewertung nimmt immer mehr Raum in der steuerlichen Beratung, Unternehmensberatung und Finanzplanung ein. Die Immobilienpreise sind hoch, wie nie und der Raum für Investitionen wird immer begrenzter. Gerade dieser begrenzte Raum – das immer niedriger werdende Angebot und die Nachfrage aus Rendite- bzw. Investitionszwecken führen dazu, dass es aus Sicht vieler Erwerber zu Fantasiepreisen kommt, welche kaum nachvollziehbar sind. In diesem Zusammenhang kommt der Immobilienbewertung als Maßstab eine besondere Bedeutung zu. Die Rechtsgrundlagen und Informationen für den Bewertungsbereich Immobilien sind sehr umfangreich.

Durch eine Immobilienbewertung verspricht sich die veräußernde Person einen Höchstpreis zu erzielen. Eine mögliche erwerbende Person möchte einen so niedrigen markt- und Rendite optimierten Preis bezahlen, damit sich die Investition auf Dauer rechnet und ggf. auch Rücklagen für Instandhaltung bzw. Renovierung in angemessener Höhe gebildet werden können. Auch steht hier im Raum während einer angemessenen Laufzeit ggf. Darlehen zurückzubezahlen, um den persönlichen Beleihungsrahmen bei Banken bzw. Investoren zu schonen, um mehr Raum für Investitionen zu haben. Hinzu kommen noch weitere Parteien.

Exemplarisch sei hier die pflichtteilsberechtigte Person genannt. Die weitere Partei möchte natürlich, z. B. bei Erbschaftsangelegenheiten und im Rahmen dieser bei Pflichtteilsauseinandersetzungen – als enterbte Person – einen so hohen Pflichtteil wie möglich erzielen. Als weitere Partei steht die Finanzverwaltung im Raum. Durch die Immobilienbewertung gem. Bewertungsgesetz (BewG) sollen normierte und steuergerechte Bewertungsgrundsätze definiert werden, welche die Bemessungsgrundlagen für den Geltungsbereich des Gesetzes sicherstellen.

Zielsetzung des Beitrags

Zielsetzung des Beitrags ist unter Berücksichtigung der Rechtsgrundlagen des Bewertungsgesetzes (BewG) und des Baugesetzbuches (BauGB), Grundlagen und Informationen zu den verschiedenen Wertermittlungsverfahren aufzuzeigen. Die Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) und gerade das Ertragswertverfahren auf Basis der ImmoWertV sind Gegenstand einer anderen Arbeit, die inhaltlich mit einem Kommilitonen abgestimmt wurde.

Methoden und Vorgehensweise

Es erfolgte zum Erreichen der Zielsetzung des Beitrags die Anwendung der Literaturforschung, Gesetzesforschung und das Nachvollziehen von Beispielrechnungen in der Fachliteratur. Eigene Erfahrungen des Autors (Immo Heinrich) und erworbene Fachkenntnisse des Autors auf Basis seiner Berufstätigkeit als Bankkaufmann, Sparkassenfachwirt, Gepr. Versicherungsfachwirt (IHK), Bachelor of Economics (WPBS) und Dozent in der Erwachsenenbildung (HS.R) flossen in die Erstellung des Beitrags ebenfalls ein.

Bewertungsanlässe und Bewertungsmotive

Folgende Bewertungsanlässe und Bewertungsmotive kommen in Betracht.

  • Verkauf: Es gibt verschiedene Verkaufsanlässe. Verkaufsanlässe können sein: Aufgabe des Geschäftsbetriebs, Erweiterung des Geschäftsbetriebs, Wegzug, Umzug oder weitere persönliche Anlässe, die im Familienrecht begründet liegen. Das Motiv der verkaufenden Person ist hier einen marktgerechten Preis (Verkehrswert/Marktpreis) zu erzielen, um ggf. die neue Existenz oder Wohnsituation aus den Erlösen bestreiten zu können.
  • Erbschaft: Der Tod eines Angehörigen führt zur Gesamtrechtsnachfolge durch die Erben. Sind z. B. Nachlassverbindlichkeiten gegeben, kann eine Immobilienbewertung Aufschluss darüber geben, ob die Erbschaft angenommen werden kann oder auf das Erbe verzichtet werden kann.
  • Schenkung: Die Schenkung kann verschiedene Motive haben. Auf der einen Seite kann durch die Schenkung eine vorgezogene Vermögensnachfolge mit Nießbrauchsrechten erfolgen, auf der anderen Seite können Vermögensverschiebungen aus Sicht des Vermögensschutzes erfolgen, um z. B. bei einer Insolvenz des Unternehmens für die Familie oder weitere Geschäftsgrundlage Vermögenswerte zu erhalten und zu bewahren.
  • Scheidung: Die Scheidung ist wohl mit einer der häufigsten Anlässe für die Auseinandersetzung und Bewertung von Immobilienvermögen. Dabei handelt es sich um eine sehr emotionale Situation. Gegenseitige finanzielle Erwartungen im Rahmen einer Immobilienbewertung können in diesem Zusammenhang dazu führen, dass eine Gesprächsgrundlage entsteht, um sinnvolle Lösungen für die endgültige Auseinandersetzung z. B. im Rahmen des Zugewinnausgleichs zu finden.
  • Stiftung: Vermietete Immobilien erwirtschaften regelmäßige Miet- oder Pachterträge. Diese Miet- oder Pachterträge werden gerade für Stiftungen immer wichtiger, weil die derzeitige Zinssituation die mündelsicheren Geldanlagen derzeit Null- oder Negativzinsen erzielen. Bei der Zuwendung einer Immobilie stellt der Wert der Immobilie eine wichtige Messgröße für die Bewertung der angemessenen Spenden- bzw. Zuwendungshöhe an die Stiftung bzw. das Grundstockvermögen der Stiftung dar.
  • Zwangsversteigerung: Gerade familienrechtliche oder insolvenzrechtliche Sachverhalte führen zu einer Zwangsversteigerung von Immobilienvermögen. Die Beteiligten am Zwangsversteigerungsverfahren: Schuldner, Gläubiger, Insolvenzverwalter und Bieter bzw. letztendlich die ersteigernde Person, brauchen neben der Wertermittlung ein aussagekräftiges und belastbares Gutachten, um Rechte und Pflichten zu wahren.
  • Betriebsprüfung aus Sicht der Fremdüblichkeit: Bei der Einheitlichkeit der handelnden Personen, wird durch die Finanzbehörden die Fremdüblichkeit geprüft. Verkauft beispielsweise der Geschäftsführende Gesellschafter einer vermögensverwaltenden GmbH sein Immobilienvermögen an die vermögensbildende GmbH kann eine Preisbildung ohne Wertermittlung zu verdeckten Einlagen oder verdeckten Gewinnausschüttungen führen.
  • Ermittlungen im Steuerstrafverfahren: Die tägliche Praxis hat gezeigt, dass Käufer und Verkäufer von Immobilien ein Bewusstsein für die Höhe der Grunderwerbsteuer entwickeln. Dieses Bewusstsein führt dazu, dass Bestrebungen laufen, außervertragliche Zahlungsabsprachen zu treffen. Diese außervertraglichen Zahlungen sind dann Gegenstand strafrechtlicher Ermittlungen. Um den tatsächlichen Wert zu ermitteln, greifen die Ermittlungsbehörden u. a. auf Wertermittlungen zurück und rufen auch die örtlich zuständigen Gutachterausschüsse an, um den Sachverhalt aufzuarbeiten und letztendlich zu ahnden.
  • Beleihungswertermittlungen für übliche private bzw. betriebliche Finanzierungen: Der Beleihungswert ist die Grundlage für Kreditinstute im Rahmen der Eigenkapitalvorschriften zu bewerten ob und in welcher Höhe ein Blankoanteil bei einer Finanzierung vorliegt. Wenn z. B. der Kunde eine Immobilie zum Kaufpreis i. H. v. 300.000 € erwirbt, 30.000 € zzgl. der Kaufnebenkosten Eigenkapital bereitstellen kann und somit 270.000 € finanziert werden müssen, dann muss das Kreditinstitut prüfen, wie hoch der Blankoanteil ist. Die Ermittlung des Beleihungswerte kann z. B. ergeben, dass der Beleihungswert lediglich 230.000 € beträgt. Somit muss geprüft werden, ob der Kunde die Bonität für die restlichen 40.000 € Blankodarlehen aufweist oder Ersatzsicherheiten stellen kann.
  • Rating von Immobilienprojekten im Bereich der Unternehmensfinanzierung / Finanzdienstleisterfinanzierung: Der vorstehende Blankoausweis führt zur Anwendung interner Ratingprozesse bei Kreditinstituten und ist gem. Eigenkapitalrichtlinien gem. BASEL III Abkommen i. V. m. den Eigenkapitalvorschriften für Banken gem. BAFIN Erlassen Gegenstand der Einschätzung mit welchem Ausfallrisiko der Kapitaldienstfähigkeit des Kreditnehmers zu rechnen ist. Je niedriger die Ausfallwahrscheinlichkeit ist, desto höher ist die Möglichkeit, dass Kreditantragsteller ein Blankodarlehen ohne weitere Ersatzsicherheiten bewilligt bekommen.
  • Auseinandersetzung und Auflösung von Gesellschaften: Im Rahmen der Auflösung von Gesellschaften z. B. Gesellschaft bürgerlichen Rechts, Personengesellschaften oder Kapitalgesellschaften wird zu Dokumentationszwecken und Nachweiszwecken ebenfalls eine Wertermittlung herangezogen.
  • Wertermittlung zur Feststellung des Versicherungswertes: Um die wertgerechte Ermittlung der Versicherungssumme zu erreichen, um die Tatbestände der Über- oder Unterversicherung zu verhindern stellt eine Wertermittlung eine wichtige Basis dar um Versicherungslücken und somit Unterdeckungen im Versicherungs- und Schadensfall zu verhindern. Wertermittlungen, die erst bei Eintritt eines Schadensfalls durchgeführt wurden, haben bewirkt, dass die Versicherungsleistungen gekürzt wurden.
  • Wertermittlungen im Rahmen der Feststellung von Jahresabschlüssen und sonstiger Finanzberichte z. B. Ertragscontrolling: Im Rahmen der Wertermittlung für die Aufstellung des Jahresabschlusses und die Prüfung des Jahresabschlusses durch einen Wirtschaftsprüfer bzw. vereidigten Buchprüfer werden ebenfalls eigene Wertermittlungen oder Wertermittlungen durch das Auditteam umgesetzt.

Bei allen Bewertungsverfahren ist die Zielsetzung gegeben, dass ein realistischer Verkehrswert (Marktwert) ermittelt wird um Entscheidungsgrundlagen herbeizuführen, gesetzliche Verpflichtungen erfüllt werden und Lösungen erarbeitet werden können.

Ziel der Bewertung

Gem. § 194 Baugesetzbuch (BauGB) ist für die Ermittlung des Verkehrswerts folgende Regelung getroffen:

„Der Verkehrswert (Marktwert) wird durch den Preis bestimmt, der in dem Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Grundstücks oder des sonstigen Gegenstands der Wertermittlung ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre.“

Somit lassen sich folgende Tatbestandsmerkmale ableiten:

  1. Klärung des Zeitpunkts der Bewertung: Bewertungsstichtag
  2. Gewöhnlicher Geschäftsverkehr (Fremdüblichkeit)
  3. Rechtliche Gegebenheiten
  4. Tatsächliche Eigenschaften
  5. Sonstige Beschaffenheit
  6. Lage des Grundstücks/sonstigen Gegenstands der Wertermittlung
  7. Keine Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse

Rechtsfolge: Verkehrswert (Marktwert)

Den Weg zum Verkehrswert stellen Wertermittlungsverfahren dar.

Der nächste Teil der Serie „Steuer sparen 2022 mit Immobilienbewertung möglich?“ erscheint am 09.05.22 10:00 Uhr. Hier klicken für Teil 2.

Weitere Beiträge: https://immoheinrich.com/

Anlagen und Quellen

Bewertungsgesetz: https://www.gesetze-im-internet.de/bewg/

Baugesetzbuch: https://www.gesetze-im-internet.de/bbaug/

Immobilienwertermittlungsverordnung: https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger_BGBl&jumpTo=bgbl121s2805.pdf#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl121s2805.pdf%27%5D__1642272891278